Subversion durch Skandalisierung: das Royal Scandal Cinema bringt Lino Brockas ‘Orapronobis’ nach Baden

lb. Nach 14 Jahren des Aufstands gegen das Regime von Marcos Sr. gelang es dem philippinischen Volk 1986, dessen Diktatur zu stürzen. Im allgemeinen kollektiven Gedächtnis sind die Bilder der friedlichen «EDSA-Revolution» geblieben, mit Cory Aquino an der Spitze, Witwe des ermordeten Oppositionsführers Benigno Aquino II. Weniger bekannt sind die Milizen, deren Kampf schliesslich zu diesem Moment der Befreiung geführt hat. Sie haben das Marcos-Regime überdauert; einigen Stimmen nach floss ein Teil des Erbes ihrer Untergrundbewegungen drei Jahrzehnte später sogar in Dutertes Drogenkrieg ein. Der 1989 erschienene Film «Orapronobis» (alternativer Titel ‹Fight for Us›) von Lino Brocka, einem der bekanntesten philippinischen Regisseure, versetzt uns in die Zeit kurz nach der Revolution von 1986 zurück.

Das Team von Royal Scandal Cinema (royalscandalcinema.ch) zeigt Filme aus der ganzen Welt, die sich mit der Schnittstelle zwischen Skandalisierung und sozialem Wandel auseinandersetzen. Das 2015 gestartete Projekt zielt darauf ab, die breite Öffentlichkeit über Skandalisierungsprozesse aufzuklären und ein Sammelwerk cineastischer Skandale zusammenzustellen. Der Korpus umfasst die Zeitspanne von 1905 bis 2024 und zeigt die ungeschnittenen und unzensierten Versionen der Filme, in der Überzeugung, dass nie der Film selbst den eigentlichen Skandal darstellt, sondern dass seine «Skandalisierung» soziale Verhandlungsprozesse in Bewegung setzt. Seither haben sie mehrere Filmabende im Badener «Kulturlokal Royal» organisiert, welche jeweils von einer Diskussion mit Fach-Expert:innen begleitet werden.

Unsere Mitgründerin Doris Bacalzo (PhD) wird bei der Vorführung des Films «Orapronobis» zu Gast sein, der zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung von der Aquino-Regierung verboten wurde. Als Sozialanthropologin von der University of the Philippines, die die EDSA-Revolution hautnah miterlebt hat, wird sie dem Publikum den notwendigen historischen, politischen und soziologischen Kontext vermitteln können, u.a. zu den Gründen für das Verbot. Orapronobis, mit Ikonen des philippinischen Films wie Phillip Salvador und Gina Alajar, gilt als einer der berühmtesten Werke von Lino Brocka und als Symbol dafür, wie Filipinas und Filipinos ihre Vision von «Demokratie» mit fortbestehenden Ungleichheiten innerhalb beharrlicher sozialen Strukturen in Einklang bringen.